Kastration, ja oder nein?
Kommen die Hunde in die Pubertät kommt häufig die Frage nach Kastration auf.
Die meisten Hundehalter haben Angst, dass ihre Hündin an Gesäuge Tumoren oder Gebärmutterentzündung erkranken könnte. Oder der Rüde Probleme mit der Prostata bekommt.
Vorab sei gesagt, laut Tierschutzgesetz ist eine Kastration nur dann erlaubt, wenn das Tier erkrankt ist.
Weiter gebe ich immer zu bedenken, dass ich mein Kind oder auch mich selbst, auch nicht kastrieren lasse oder mir die Brust abnehmen lasse, nur weil ich oder das Kind ja EVENTUELL mal daran erkranken könnten.
Hier habe ich eine klare Meinung und habe auch, ganz offen 0 Verständnis für diese Argumente und das Vorgehen.
Aber gut, kommen wir zu den anderen 80% die ihren Hund kastrieren lassen, weil er dann ruhiger wird und die Probleme, die eine normale hormonelle Entwicklung nun mal so mit sich bringt, nicht mehr ertragen.
JA! Die Pubertät ist anstrengend und JA, es sind keine süßen Welpen mehr, aber es rechtfertigt keine Kastration.
Auch hier habe ich eine klare Meinung, die ganz bestimmt nicht jeder genauso sieht, aber meine Erfahrung in 12 Jahren Hundetraining und 28 Jahren Hundehaltung zeigt mir, dass ich nicht so falsch liege.
Hier meine eigene Geschichte:
Meine Aussiehündin Amy wurde mit 8 Monaten kastriert. VOR der ersten Läufigkeit. Grund war damals, dass ich noch jung war, wenig Erfahrung hatte und mir eingeredet wurde, dass der Hund ja so nicht an Krebs sterben würde und auch keine Gebärmutterentzünung mehr bekommt. Puh, dachte ich. Klasse! Dann machen wir das.
Diesen Fehler bereue ich zutiefst und ich könnte mich heute noch Ohrfeigen, so dumm gewesen zu sein.
- Ich habe Amy das Erwachsen werden genommen.
- Ich habe es ihr genommen, und damit die Chance Unsicherheiten los zu werden
- Ich habe es ihr genommen und damit die Möglichkeit, zu reifen und erwachsen alt zu werden.
- Ich habe es ihr genommen, weil ich dachte, sie so vor Krebs zu schützen.
- Ich habe es ihr genommen, weil ich mich nicht genug informiert habe.
- Ich habe es ihr genommen, weil ich mich auf einzelne Aussagen verlassen habe und NATÜRLICH mein damaliger Tierarzt dafür war (bringt ja schließlich Kohle!).
Andere Geschichte:
Tatanka war knapp drei Jahre alt, als Franz kam. Die erste Läufigkeit in seiner Gegenwart war die reinste Katastrophe! Er ist über Meterhohe Absperrungen gesprungen. Ja, ich habe es nicht mehr ertragen und habe entschieden, Tatanka wird kastriert.
Das habe ich zugelassen! Warum? Weil sie geistig erwachsen war, mit ihren dann 3 Jahren. Immer hin ein wesentlicher Punkt der schon mal besser war als bei Amy.
ABER: Probleme haben beide nun mit den Gelenken.
Es gibt ein richtig informatives und unabhängiges Buch von der Tierärztin Sophia Strodtbeck und Verhaltensbiologe Udo Gansloßer: Buchlink
Durch dieses Buch weiß ich, dass eine Erschlaffung des Bindegewebes durch Kastration begünstigt wird. Ja, es gibt bei Amy und Tatti keinen eindeutigen Beweis aber es könnte einen Zusammenhang geben.
Ich empfehle jedem dieses Buch, denn es zeigt ohne jegliche Wertung auf, welche Vor- und Nachteile es bei Kastration gibt.
Nun zurück zur Kastration und meiner Meinung/Erfahrung.
In den meisten Fällen hilft eine Kastration nicht bei Verhaltensproblemen. Und deshalb sollte man sich mal gleich von dem Gedanken verabschieden.
Es gibt aber Ausnahmen- zum Beispiel Hypersexualität. Also der Rüde „rammelt“ alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist (Kissen, Menschen, Hunde, Kinder, Decken usw.) oder er alles vollpisst. Also permanent nur am markieren ist und seinen Halter ignoriert.
Aber auch hier sollte man das ganze über mind. 6 Monate beobachten und intensiv an der Beziehung arbeiten. Was auch bedeutet, dass ich mich als Mensch ändern muss und den Hund eben nicht mehr in meinen Mittelpunkt stelle.
Dann erst kann man einen Kastrationschip setzen (dieser kastriert den Hund chemisch über 6- 12 Monate). Man erkennt so, wie sich der Hund ohne den Einfluss von Sexualhormonen verhalten würde.
Bei Hündinnen gibt es für mich auch nur eine Ausnahme, welche eine Kastration rechtfertigen würde (abgesehen von Erkrankungen). Mutteraggression zum Beispiel. Hier fängt die vermeintliche Mutterhündin an, ihre „Welpen“, in den meisten Fällen Spielzeug zu verteidigen. Das kommt aber sehr selten vor. Auch fallen manche Hündinnen in ein tiefes Loch wenn sie Läufig oder Scheinträchtig sind. Auch hier wäre es eine Überlegung, allerdings gibt es auch hier reichlich Tricks, damit man seine Hündin erfolgreich davon ablenken kann.
Fazit:
Kastrationen sollten, meiner Meinung nach nur in Ausnahmefällen und wenn, dann nur wenn die Hunde bereits erwachsen sind (2-3 Jahre) durchgeführt werden. Bei Rüden ist immer als erstes die Chipkastration zu empfehlen. In dieser Zeit wäre es denkbar ein intensives Training anzustreben und dann schauen, wie sich der Hund nach auslaufen den Chips und mit gut aufgebautem Training verhält.
Bei Hündinnen, die Probleme mit der Scheinträchtigkeit haben, hilft Ablenkung und Beschäftigung! Billiger und schonender als Kastration, allemal.
Und das Hündinnen Milcheinschuss haben ist NORMAL! Das hat die Natur genauso vorgesehen, damit sich alle Hündinnen eines Rudels um die Welpen kümmern können. Es benötigt in den meisten Fällen KEIN Lactostop (wird häufig von Tierärzten gegeben). 1 Tasse Essig auf 2 Tassen Wasser, damit einen Kompresse machen und mehrmals aufs Gesäuge legen. Nach 2-3 Tagen ist der Spuk vorbei.
Du merkst sicher, ich könnte noch seitenweise weiterschreiben. Wenn ich dich aber dazu gebracht habe, dich noch mehr zu informieren und zu hinterfragen, dann habe ich mein Ziel bereits erreicht. 😉